Zwei Frauen stehen mit Smartphone in Apotheke

Würden Sie Ihre Gesundheitsdaten an die Forschung weitergeben?

Veröffentlicht am 10.03.2020

Die elektronische Patientenakte (ePA) bündelt Gesundheitsdaten digital. Die Vorteile für den Einzelnen sowie für das gesamte Gesundheitswesen sind unbestritten. Für den sicheren Austausch von hochsensiblen Informationen könnte ein Datentreuhänder sorgen. Bundesdruckerei-Experte Dr. Ekkehard Musold erklärt im Interview, wie Patienten durch das Konzept eines Datentreuhänders die Kontrolle über ihre Daten behalten und wie ihnen dabei großer Mehraufwand erspart bleiben könnte.   

Experteninterview mit
Dr. Ekkehard Musold, Bundesdruckerei GmbH
Dr. Ekkehard Musold
Experte bei der Bundesdruckerei GmbH

Für den sicheren Austausch von hochsensiblen Informationen könnte ein Datentreuhänder sorgen.

Welche konkreten Vorteile kann die elektronische Patientenakte für den Patienten in Zukunft bieten?

Einen ganz wesentlichen Vorteil genießen die Patienten selbst: Transparenz. Transparenz darüber, was in ihrer Patientenakte steht. Sie können ihre eigene Krankenhistorie genau zurückverfolgen und erfahren, wann welcher Mediziner welche Information hinzugefügt hat. Das mag zunächst ein wenig banal klingen, aber ein solches Maß an Nachvollziehbarkeit ist Laien noch immer unbekannt. Außerdem besteht die Möglichkeit, mit wenigen Klicks weitere Daten einzusehen – Medikationspläne beispielsweise. Eine andere zentrale Änderung wird es mit Blick auf Überweisungen geben: Einem Facharzt, der einen Patienten das erste Mal sieht, fehlt es derzeit meist am nötigen Hintergrundwissen über dessen Krankheitsverlauf und mögliche Vorerkrankungen. Eine detaillierte ePA nimmt dem Patienten zum einen die Last der Auskunft und erleichtert zum anderen die Arbeit der Spezialisten.

Dann stärkt die ePA also nachhaltig das Arzt-Patienten-Verhältnis?

Genau, aber es gibt da noch einen weiteren wichtigen Aspekt. Denn die elektronische Patientenakte soll ja idealerweise forschungskompatibel sein. Demnach sollen die Infos aus Praxen und Krankenhäusern der medizinischen Forschung zur Verfügung stehen. Der Nutzen wäre riesig, allein wegen der großen Datenmenge. Mit detaillierten Informationen zu Erkrankungen ließen sich etwa Therapien und Medikationskonzepte weiterentwickeln. Die Forschung und Entwicklung könnte nicht nur effizienter, sondern auch noch effektiver werden.

Und dennoch sind viele Menschen skeptisch und fürchten einen Missbrauch ihrer Daten. Sind solche Vorbehalte berechtigt?

Gefahren gibt es durchaus. Kritisch ist alles, was für eine Profilbildung geeignet ist. Möglicherweise blieben Patienten bestimmte Versicherungen oder Leistungen verwehrt, weil Informationen zu Erkrankungen vorliegen und der der Patient plötzlich als Risikofall gilt. Auch das Thema Datendiebstahl und mögliche Folgen daraus sind ernst zu nehmen.

Damit nur die richtigen Empfänger an Gesundheitsdaten kommen, spricht sich die Bundesdruckerei für ein Datentreuhänder-Modell aus. Welche Rolle würde ein Datentreuhänder spielen?

Ein Datentreuhänder soll gewährleisten, dass Patienten die Souveränität und die Kontrolle über ihre Daten behalten. Dafür koordiniert er Zugriffe und agiert als eine Art Vermittler zwischen denen, die ihre Daten angeben, und denen, die mit ihnen arbeiten. In Zukunft könnten Forschungsinstitute zum Beispiel beim Patienten anfragen, ob dieser bereit ist, seine medizinischen Informationen aus der elektronischen Patientenakte für einzelne Forschungsprojekte bereitzustellen. Dann würde der Datentreuhänder nicht nur gewährleisten, dass die Einwilligung des Patienten zur Weitergabe der Informationen an das Institut vorliegt. Er muss darüber hinaus die Pseudonymisierung der Daten garantieren, damit Rückschlüsse auf den einzelnen Patienten nicht möglich sind.

Es gibt Stimmen, denen die Pseudonymisierung nicht weit genug geht. Sie fordern eine Anonymisierung der Daten.

Klar, selbst pseudonymisierte Daten ließen sich unter einigem Aufwand mit einer Person verknüpfen, vor allem bei Patienten mit sehr seltenen Krankheiten. Allerdings wäre der wissenschaftliche Mehrwert von komplett anonymisierten Daten gering. Faktoren wie das Alter können schließlich essenziell für eine exakte Diagnose sein.

Wie entscheidet der Patient denn in der täglichen Praxis, wer auf welche Informationen zugreifen darf?

Der Patient könnte sich beispielsweise mit einem mobilen Endgerät in die elektronische Patientenakte einloggen. Dort würde er die Anfragen von Medizinern zur Dateneinsicht beantworten. Aber zugegeben: Man ist nicht immer online und eine solche Lösung verlangt Laien einiges an Eigenantrieb ab. Deshalb gibt es die Idee, sich über die Gesundheitskarte direkt in der Arztpraxis einzuloggen und die Freigabe zu erteilen.

Aber hätte der Patient dann nicht noch immer Mehraufwand?

Das ist in der Tat eine sehr zentrale Frage. Derzeit etwa gibt es Diskussionen darüber, ob ein Patient eine Pauschalfreigabe für die Datenweitergabe an die medizinische Forschung geben kann oder ob seine Freigabe immer nur an ein konkretes Vorhaben gebunden sein darf. Je nachdem, wie die Entscheidung ausfällt, ergeben sich natürlich Auswirkungen auf die Usability  – und gleichzeitig auf die Souveränität des Patienten. Beim alltäglichen Arzt-Patienten-Verhältnis und bei den medizinischen Daten der elektronischen Patientenakte ist ein ausdifferenziertes Zugriffsmanagement in jedem Fall notwendig. Der Patient sollte in der Lage sein, Ärzten einzelne Zugriffe auf Dateien erteilen oder entziehen zu können. Doch ein granulares Zugriffsmanagement ist sehr fordernd. Um seinen Aufwand zu verringern könnte der Patient daher Mediziner in einer Gruppe zusammenfassen und entscheiden, auf welche Daten diese Gruppe zugreifen darf. Oder er clustert bestimmte Daten und wählt dann die dafür relevanten Ärzte. Ebenfalls sinnvoll sind sogenannte Kopfdaten. Zwar muss ein Hausarzt nicht erkennen, welche Behandlung sein Patient in einer Klinik erhielt. Er sollte aber zumindest sehen können, dass überhaupt eine Behandlung stattfand. Im nächsten Schritt kann er dann um die Freigabe zur Einsicht bitten und würde seinen Patienten damit Last von den Schultern nehmen. Denn auf eine Anfrage zu reagieren, ist für einen Laien weitaus leichter, als proaktiv zu überlegen, ob eine Information relevant für seinen Hausarzt sein könnte.

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