Familie mit Notebook und Smarthone sitzen auf Couch zu Hause

Deutschlands digitale Souveränität – wie gelingt sie?

Veröffentlicht am 29.05.2020

Der Ruf nach der digitalen Souveränität Deutschlands wird immer lauter. Die Frage aber ist: Wie digitalsouverän kann ein Staat wie Deutschland eigentlich sein? Arno Fiedler, stellvertretender Vorsitzender des Verbands Sichere Digitale Identität e.V. (VSDI), gibt dazu Einschätzungen und Anregungen.

Nichteuropäische Dienste und Produkte weit vorn

Wenn die Deutschen im Internet etwas suchen, dann nutzen fast 90 Prozent von ihnen die Suchmaschine Google. Wenn sie sich digital sozial vernetzen, dann fällt zu 83 Prozent die Wahl der 20- bis 29-jährigen Deutschen auf Facebook. WhatsApp ist der beliebteste Messenger-Dienst der Deutschen. Die meisten Deutschen nutzen ein Smartphone von Samsung, sie führen ihre Videokonferenzen mit Zoom durch und nutzen den Internetbrowser Chrome.

Eines haben all diese Beispiele gemein: Es sind Angebote und Produkte ausländischer Unternehmen. In der Konsequenz heißt das in der Regel: Die Daten der Deutschen wandern nach Übersee und werden dort analysiert und für weitere, meist kommerzielle Zwecke genutzt.

Was setzen wir Google und Co entgegen?

Da ist es verständlich, dass deutsche Politiker eine größere digitale Souveränität Deutschlands fordern. Was der Begriff genau bezeichnet, wird unterschiedlich interpretiert. Laut einer Arbeitsgruppe des Digital-Gipfels1 beschreibt er „die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln und Entscheiden im digitalen Raum“. Das bedeutet, dass wir die Schlüsselkompetenzen besitzen müssen, IT-Sicherheit und Datenschutz auf angemessenem Level gewährleisten zu können – nicht nur als Anwender, sondern auch als Anbieter.

Das Problem: Wesentliche Schlüsseltechnologien sind in Deutschland heute gar nicht mehr vertreten. Zwar gibt es den deutschen Halbleiterhersteller Infineon Technologies, die deutsche IT-Sicherheitsfirma secunet Security Networks und das Software-Unternehmen SAP, es gibt zudem die Bundesdruckerei, den Vertrauensdiensteanbieter D-Trust und das Verschlüsselungsunternehmen cryptovision. Aber Siemens stellt schon lange keine Mobiltelefone mehr her. Und auch die deutschen Schlüsselkompetenzen z. B. in Sachen Cloud-Dienste, lernende Systeme, Big Data, Mobile Business und Betriebssystem-Plattformen sind wenig ausgeprägt bis gar nicht vorhanden.

Die deutschen Unternehmen sind zwar technologisch sehr innovativ, aber eher in Nischen erfolgreich. Zudem ist der deutschsprachige Markt zu klein. Um digitale Souveränität zu erlangen, sind mindestens zwei Dinge nötig: Bestimmte digitale Schlüsseltechnologien sollten in Deutschland zumindest verstanden werden und die Kerntechnologien müssen in Deutschland hergestellt werden. Alle nötigen Leistungen drum herum können idealerweise in Europa erworben werden. Und natürlich müssen auch die deutschen Kerntechnologien im Sinne der Marktvergrößerung europaweit verkauft werden.

Europa nutzen!

Die EU bietet nicht nur eine vernünftige Marktgröße mit ihren über 400 Millionen Einwohnern, sondern auch vergleichbare Wertvorstellungen – etwa beim Thema Datenschutz. Insgesamt ist Europa in Sachen digitale Souveränität in die richtige Richtung unterwegs, wie die Beispiele Industrie 4.0 und Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zeigen. Allerdings sollte dabei nicht nur auf Werte, Innovation und disruptive Technologien gesetzt, sondern auch ein souveräner Vertrauensraum für IT-Dienstleistungen kultiviert werden. Dafür braucht es technische Vertrauensanker, ein Auditsystem, Best Practices und Vertrauensrepräsentationen wie etwa Gütesiegel. Zudem wäre es hilfreich, eine Motivation zur Nutzung europäischer Sicherheitstechnologien zu bieten. 

Auch Deutschland kann noch mehr tun, um deutsche Sicherheitstechnologien weiter zu stärken. Dazu zählt beispielsweise, die Produkte nicht nur zu nutzen und damit zu wirtschaftlicher Stabilität bei den Unternehmen beizutragen. Es muss auch dafür Sorge getragen werden, dass sie langfristig in deutscher Hand bleiben.

Deutschland stärken

Die gute Nachricht: Deutschland hat bereits die richtigen Ansätze. Etwa die Identitätsplattform Verimi, in die deutschen Wirtschaftsgrößen erhebliche Summen investieren und die mit ihren Produkten den EU-Vorgaben, wie der DSGVO, folgt. Und Deutschland verfügt über ein sehr gutes Innovationssystem. Das Land hat ausreichend Universitäten, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, innovationsstarke KMU und Start-ups. Diese Ressourcen müssen aber konsequent auf die strategisch wichtigen Themenfelder ausgerichtet und durch umfangreiche Marketingmaßnahmen unterstützt werden. Schließlich liegt es nicht an den Technologien an sich, die den Erfolg deutscher Produkte verhindern, sondern am fehlenden Marketing, das US-amerikanische Unternehmen perfekt beherrschen, inklusive des Themas nutzerzentriertes Design. Ob sich ein Produkt letztlich durchsetzt, liegt weniger an den technischen Merkmalen als daran, welcher Nutzen für den Anwender gestiftet wird.

1 Der Digital-Gipfel ist die zentrale Plattform von Politik, Unternehmen, Wissenschaft und Gesellschaft zur gemeinsamen Gestaltung eines zukunftsfähigen Rahmens für den digitalen Wandel.

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